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Bürgermeister und Stadtratsvorsitzender zur aktuellen Situation

12. 09. 2022

Aus aktuellem Anlass!                                               

 

Sehr geehrte Querfurterinnen und sehr geehrte Querfurter,

uns alle beschäftigen seit einigen Monaten viele Sorgen in Zusammenhang mit den Folgen des Ukrainekrieges. Gerade das Problem der unverhältnismäßig, auch von der Profitgier großer Konzerne, in die Höhe geschnellten Benzin- und Energiepreise sowie der damit verursachte Anstieg der Lebenshaltungskosten bereiten uns allen große Sorge. Wir müssen erfahren, dass der soziale Frieden in unserem Land gefährdet ist. Die Kreishandwerkerschaft hat sich in diesem Zusammenhang in einem offenen Brief an den Bundeskanzler gewandt. Mit ihrem Anliegen an den Regierungschef heranzutreten, ist mehr als berechtigt.

Das zögerliche Handeln der Bundesregierung, dass all zu oft den Anschein von Aktionismus erweckt, sorgt zusätzlich für Unmut. Starke und dabei aber auch besonnene Führung, die viele Menschen in einer solchen Krise als Anker brauchen, sieht anders aus. Man hat den Eindruck die Regierung hetzt immer hinterher, anstatt voran zu gehen. Natürlich ist die Gemengelage komplex und kann sich in vielerlei Hinsicht für den Außenstehenden nur schwer vollends erschließen. Es bedarf Abwägungen, um letztlich vernünftig entscheiden zu können, was Zeit in Anspruch nimmt. Entscheidungen müssen erklärt werden, so dass sie verstanden und nachvollzogen werden können. Das fällt zunehmend vielen Menschen und auch uns schwer.

Die erst jüngst in Kraft getretene „Kurzfristenenergieversorungssicherungsmaßnahmenverordnung“ unterstreicht diesen Aktionismus. Allein der Name ist schon bemerkenswert.  Das Ansinnen ist sicher richtig. Dennoch wirft die Verordnung mehr Fragen zu deren Umsetzung auf als sich der daraus erwachsene Nutzen für Energieeinsparungen erschließt.

Auch die unsägliche Debatte zur Verlängerung der Nutzung der Atomkraft oder der Kohleverstromung, die von Ideologien, denn von Vernunft bestimmt wurde, lässt einen nur mit dem Kopf schütteln. Diese Kapazitäten werden ganz einfach zur Sicherstellung der Energieversorgung benötigt. Man proklamiert die zukünftige Notwendigkeit der Unabhängigkeit der deutschen Energieversorgung und diskutiert dabei, ob vorhandene, nachweislich funktionierende und sichere Möglichkeiten hierfür weitergenutzt werden sollen oder nicht. Unklar!  Das Ziel ist sicher richtig: die deutsche Energieversorgung langfristig unabhängig, auf nachhaltigem Weg sicherzustellen. Daran müssen wir weiter aktiv arbeiten. Aber von diesem Ziel sind wir noch ein ganzes Stück entfernt und brauchen daher jede Möglichkeit, selbst Energie zu erzeugen.

9 € Ticket – allein gut für Städter, ein Tankrabatt, der verpüfft ist, eine Energiepauschale, die auch diejenigen bekommen, die sie nicht brauchen. Alles Dinge, die für den einzelnen nicht schlecht sind, aber in der wirtschaftlichen Gesamtschau nur Kosmetik am eigentlichen Problem und eher Placebo zur kurzfristigen Linderung der Beschwerden, denn Medikamente zu deren wirksamen Behandlung.

Absurd ist, dass es mitten in der Krise wichtig schien per Gesetz zu regeln, dass man in regelmäßigen Abständen sein Geschlecht ändern kann, aber das nur am Rande.

Noch viel schlimmer ist es, dass die Sanktionsmöglichkeiten im Rechtskreis des SGB II, also Harz IV, weiter reduziert wurden und das bei gleichzeitiger Erhöhung der Zuschüsse. Überall werden Arbeitskräfte gesucht, aber der Staat schafft neue Möglichkeiten lieber zu Hause zu bleiben. Warum? Das hat nichts mit Erhalt des sozialen Friedens zu tun, sondern erzeugt vielmehr weitere soziale Spannungen.

Abschöpfung von Übergewinn bei den Profiteuren dieser Krise, eine Energiepreisdeckelung, die Entkopplung der Gas- und Strommärkte, die Senkung der Mehrwert- und der Stromsteuer, das sind Maßnahmen, die tatsächlich etwas bewirken würden und hätten schon lange umgesetzt sein müssen. Es fehlt zu dem ein klares Signal zur Entlastung in Richtung Wirtschaft und dabei vor allem in Richtung kleinerer und mittlerer Unternehmen. Erst Anfang September hat sich der Wirtschaftsminister dazu geäußert und Hilfe angekündigt.

Bleibt immer die Frage wie das Ganze finanziert werden soll. Da kommen die Bedenkenträger, die der Meinung sind, wir haben Marktwirtschaft und der Markt wird sich schon selbst regeln. Der Staat solle sich möglichst heraushalten und nicht eingreifen. Genau das ist in einer preisgetriebenen, von Spekulanten, befeuerten Krise, in der sich unser Land befindet ganz einfach falsch und der Staat hat das Recht einzugreifen. In diesem Land haben wir keine reine, sondern eine soziale Marktwirtschaft. Dieser soziale Aspekt ist der, um den es vielen Menschen geht. Er ist der Fuß in der Tür, der Hebel für die Regierung in den Markt einzugreifen.

Eine wirkliche Lösung gibt es nur durch ein Ende des Krieges in der Ukraine. Das kann nur am Verhandlungstisch erreicht werden. Auch wenn klar sein muss, dass wenn dies gelänge die Welt nicht wieder die gleiche sein wird, wie vor dem Überfall Russlands. Inflation und damit verbundene hohe Verbraucherpreise oder hohe Zinsen werden nicht plötzlich verschwinden. Es bleibt unwahrscheinlich, dass russisches Gas in den vertraglich festgelegten Mengen wieder geliefert wird. Für ein Ende des Krieges braucht es für beide Seiten eine Verhandlungsmasse, bei der jeder sein Gesicht wahren kann. Und genau darin liegt aktuell das Problem, da momentan weder Russland noch die Ukraine dazu kompromissbereit zu sein scheinen. Es braucht also weiter die Vermittlung der Staatengemeinschaft. Die Türkei hat Erfolge erzielen können, wenn auch nicht aus Selbstlosigkeit heraus, sondern vielmehr von geopolitischen Interessen getragen. Aber es zeigt, dass etwas machbar ist. Auch die deutsche Seite hat ihre Kanäle nie abbrechen lassen, auch wenn manche der Meinung sind, es würde nicht verhandelt. Diplomatie agiert nicht wie ein Influencer bei youtube und posted nicht jeden Tag den neusten Stand. Man braucht Ausdauer, Verhandlungsgeschick und darf vor allen Dingen nicht zusätzlich Öl ins Feuer gießen.

Unsere Medien gießen leider viel Öl in das Feuer, was zusätzlich für Verunsicherung sorgt. Sie bestimmt die öffentliche Meinung und treibt die politisch Verantwortlichen zu eben jenem Aktionismus. Man hat den Eindruck, dass es einen erheblichen Unterschied zwischen der öffentlichen Meinung und der veröffentlichten Meinung gibt. Jeder der auch nur zur Diskussion stellt, über ein Ende der Sanktionen gegenüber Russland oder die Waffenlieferungen an die Ukraine zu sprechen, wird sofort abgestempelt, in die rechte Ecke gestellt und als „Putinfreund“ diffamiert. Sicher ist ein Ende der Sanktionen allein von deutscher Seite in der vorhandenen Bündnisstruktur innerhalb welcher unser Land glücklicherweise eingebettet ist, schwierig. Aber die wechselseitige Wirkung der Sanktionen muss auf alle Fälle erörtert werden. Sie dürfen dem, der sie ausspricht nicht mehr schaden, als dem, den sie treffen sollen.

Zur Frage der Waffenlieferungen kann man geteilter Meinung sein. Ohne die Unterstützung des Westens hätte Putin schon lange Erfolg gehabt und sich durch Besatzung oder die Installation eines kremelfreundliches Regimes, von einem solchen sich die Ukrainer vor gar nicht langer Zeit erst selbst frei gemacht haben, die Ukraine einverleibt. Wir hätten wie schon 2014 bei der Krim zugesehen, wie ein Diktator völkerrechtlich zementierte Grenzen ignoriert, nach seinen Interessen verschiebt und eine demokratisch gewählte Regierung absetzt. Dinge, die uns an die 30er Jahre des vorherigen Jahrhunderts erinnern sollten und vor allen daran, wo es hingeführt hat. Das konnte nicht hingenommen werden.

Nicht hinnehmbar ist aber auch die Art und Weise der ukrainischen Führung hinsichtlich der Forderung nach Waffenlieferungen und Unterstützung. Ganz klar steht sie mit dem Rücken zur Wand. Aber der Ton des ehemaligen Botschafters der Ukraine, Melnyk, und auch die Forderungen des Präsidenten Selenskyj sind teilweise unverschämt und schon beleidigend gegenüber unserer Regierung.

Auf der anderen Seite hat natürlich auch der Westen beim Umgang mit Russlands geopolitischen Interessen Fehler gemacht. Die Debatte über einen Natobeitritt der Ukraine wurde von Russland ganz klar als Provokation gesehen und von Putin auch immer so kommuniziert. Von daher war ein neutraler Status der Ukraine schon immer eine Notwendigkeit zur Stabilität der Sicherheit in Europa.

Zu den Gewinnern dieser Krise zählen, die Vereinigten Staaten durch Lieferung von umweltschädlich gefördertem Fracking-Gas, genauso wie die autoritären Regime der arabischen Halbinsel, die für ihre Menschenrechtsverletzungen mehrfach verurteilt wurden. Heute scheint das niemanden mehr zu interessieren. Man muss fragen: „Wem nützt es?“. Wenn man sich anschaut wie der Euro gegenüber dem Dollar an Wert verloren hat und das von den USA schon unter Trump geforderte Ende für Nordstream II nun Realität ist.

Wir brauchen alle noch einen langen Atem. Der Herbst und der Winter werden eine Belastungsprobe für den Zusammenhalt und die gesellschaftliche Stabilität in unserem Land. Schon jetzt wird demonstriert. Das ist richtig und gehört zu einer Demokratie. Die Politik muss das aushalten, daraus Schlüsse ziehen und vernünftige Entscheidungen ableiten. Nicht akzeptiert werden kann aber auch, wenn diese Demonstrationen als Bühne dafür genutzt werden, gleich welchem Gebaren man sich bedient oder wie geschickt man es verschleiert, dazu dienen, zu einem Systemwechsel aufzurufen und darüber Hass, Hetze und im schlimmsten Fall Gewalt zu provozieren. Am Ende will es immer niemand gewesen sein. Das Recht zu demonstrieren hat jeder in diesem Land. Ein hohes Gut, dass kritische Russen beispielsweise nicht mehr wahrnehmen können, ohne fürchten zu müssen, eingesperrt zu werden. Daher unser Appell: Entscheiden Sie bewusst, wenn Sie demonstrieren wollen, zu wessen Demonstration Sie gehen und wem Sie vielleicht hinterher laufen. Hören Sie genau zu, was dort gesagt wird, ob es wirklich schlüssig ist oder einfach nur blanker Populismus. Hinterfragen Sie das wirkliche Ziel der Akteure.

Bleibt die Frage, was können wir hier vor Ort tun? Jeder, der Energie einspart, leistet für sich selbst aber auch für alle anderen einen Beitrag. Jüngst haben wir als Bürgermeister mit der enviaM bzw. MITNETZ als größter Energieversorger und Netzbetreiber in unserer Region vereinbart, dass wir regelmäßig darüber informieren wollen, wie sich die aktuelle Situation auf dem Energiemarkt darstellt, welche Auswirkungen sich daraus ergeben und wie der Einzelne damit umgehen kann. Die entsprechenden Informationen werden auf der städtischen Homepage und im Stadtanzeiger veröffentlicht. Eine Botschaft gibt es schon jetzt: Elektrisch betriebene Alternativen, wie Heizlüfter, verschärfen die Situation und können im schlimmsten Fall zur Überlastung des Stromnetzes führen und damit zu einem Blackout. Ein Szenario, dass niemand von uns sich auch nur ansatzweise ausmalen will.

Als Stadt konnten wir schon Akzente setzen. Bereits 70 % der Straßenbeleuchtung sind auf energiesparende LED- Technik umgebaut. Das hilft dem städtischen Haushalt, die Preissteigerungen beim Strom etwas zu kompensieren. Die Verwaltungsgebäude sind bereits auf LED umgerüstet,  genauso wie unsere Turnhallen, was vor allem den Sportvereinen hilft. Die Beleuchtung des Vereinshauses in Spielberg wird noch in diesem Jahr durch die Unterstützung der enviaM in Höhe von 5.000,00 € auf LED umgestellt und die Anschaffung von zwei neuen Umwälzpumpen für rund 70.000,00 € für das Stadtbad Querfurt von denen 58.000,00 € vom Bund gefördert werden, wird den Energieverbrauch in der kommenden Saison um 50 % senken, so dass wir in der Lage sind, den Eintrittspreis stabil zu halten.

Bereits Ende letzten Jahres wurde die Nutzung von Photovoltaik auf kommunalen Gebäuden geprüft. In Zusammenarbeit mit der städtischen Fernwärmegesellschaft sollen auf dem Dach der Grundschule Schmon Solarmodule installiert werden, genauso wie auf dem Dach des Heizhauses in Querfurt. Aber auch anstehende Projekte wie der Solarpark von Gatterstädt oder im ehemaligen Querfurter Kalkwerk bieten eine Chance. Denn von jeder dort zukünftig erzeugten Kilowattstunde Strom erhält die Kommune einen finanziellen Anteil, der dem städtischen Haushalt zu Gute kommen wird.

Schon seit dem Jahr 2012 leistet unsere Biogasanlage in Querfurt einen Beitrag für Nachhaltigkeit und für einen verhältnismäßig günstigen und stabilen Heizpreis. Rund 30 % des Gesamtverbrauchs in Querfurt Süd können über diese Anlage gedeckt werden. Derzeit wird untersucht, wie dieser Anteil weiter erhöht und inwieweit der dort erzeugte Strom selbst genutzt werden kann. Flankiert wird das Projekt von der Idee im Heizhaus Querfurt auch Biomasse, beispielsweise in Form von Totholz aus den kommunalen Waldflächen, zu verwerten. Alles Maßnahmen, die einzig und allein dazu dienen, weiter unabhängig vom Erdgas zu werden und den Heizpreis auf einem moderaten Niveau zu halten und extreme Anstiege zumindest teilweise zu kompensieren. Wohnungsbaugesellschaft bzw. Fernwärmegesellschaft, Agrargenossenschaft und unsere Stadtverwaltung ziehen hierbei an einem Strang im Interesse der Mieter und angeschlossenen Unternehmen in Querfurt Süd. Klar ist aber auch, all diese Maßnahmen können nicht sofort Wirkung entfalten. Sie sind bereits in der Planung. Deren Umsetzung wird aber noch Zeit in Anspruch nehmen. Als politische Entscheidungsträger auf kommunaler Ebene arbeiten wir mit den Möglichkeiten, die wir haben, den bereits bestehenden und kommenden Belastungen zu begegnen. Vorausschauendes Handeln hat sich dabei bereits jetzt ausgezahlt. Die aufgezeigten Einsparpotentiale und unsere konsequent umgesetzte Haushaltskonsolidierung, die zu einer Sanierung der städtischen Finanzen geführt haben und auch mit unpopulären Entscheidungen verknüpft waren, versetzen uns heute in die Lage, anders als in anderen Kommunen, zunächst von Gebühren oder Steuererhöhungen in dieser Krise abzusehen und somit die Belastungen des Einzelnen nicht noch weiter zu erhöhen.

Die kommenden Monate werden zu einem Stresstest für unsere Gesellschaft. Bei allen Herausforderungen, die kommen werden, sind Solidarität und Besonnenheit die Gebote der Stunde. Wir müssen zusammenstehen in dieser schweren Krise!

Ihr

Bürgermeister Andreas Nette

und

Ihr Stadtratsvorsitzender Lothar Riese

 

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